Following in the Footsteps of World Literature: A Symposium on German-Japanese/Japanese-German TranslationÜbersetzungssymposium deutsch-japanisch/japanisch-deutsch
November 3 - November 4, 1998
Das vom DIJ und dem Goethe-Institut unter Leitung von Irmela Hijiya-Kirschnereit und Heinz H. Becker, dem Direktor des Goethe-Instituts Tokyo, gemeinsam veranstaltete Symposium behandelte Grundfragen der interkulturellen Kommunikation und die Bedingungen des japanisch-deutschen Wissensaustauschs. Es ging bei dieser Tagung, die bis zu 150 Besucher anzog, um die sprachlichen, kulturellen, soziologischen und ökonomischen Aspekte, die jeglichen Kontakt zwischen den Nationen und Kulturen bestimmen. Literarisches Übersetzen wurde in diesem Zusammenhang als komplexeste Form des Transferprozessesbetrachtet, doch in den Beiträgen von Übersetzern, Sprach- und Literaturwissenschaftlern, Verlagsvertretern, Lektoren und Autoren, dieden Rahmen dieses erstmals systematisch behandelten Themas breit ausfüllten, wurden so unterschiedliche Fragen behandelt wie die Rolle der Übersetzungnach dem Zeitalter der Literaturübersetzungen, das Lektorieren von japanischem Schrifttum im deutschsprachigen Raum, Literaturübersetzungen als “Dritte Literatur”, verortet zwischen fremdsprachigen und japanischen Texten in Japan, sowie einleitend grundsätzliche Überlegungen zur Geschichte der Übersetzungen deutsch-japanisch und japanisch-deutsch in den letzten 50 Jahren.
Die Tagung war so angelegt, daß beide Übersetzungsrichtungen möglichst paritätisch zu Wort kommen sollten. Den Anfang machte ein Referat von Irmela Hijiya-Kirschnereit, DIJ, die unter dem Titel “‘StillePost’ oder Ein Wegweiser zum Thema Übersetzen” einige Allgemeinplätze und populäre Mythen zu den Themen Übersetzbarkeit, Wörtlichkeit und Angemessenheit in der Übersetzung beleuchtete und das Terrain der Tagung mit den vorgesehenen Beiträgen absteckte. Yanabu Akira, Momoyama Gakuin Universität ging seine Aufgabe, den Einfluß von Übersetzungen auf das Japanische in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu skizzieren, über eine Beschreibung des Sprachwandels in der Meiji-Zeit an. Ekkehard May, Universität Frankfurt, kritisierte unter dem Titel “Übersetzen als Interpretation” die verbreitete Kontextlosigkeit der Haiku-Rezeption im Westen.
Einen Höhepunkt der Tagung bildeten zwei Referate von Schriftstellern zum Thema “Übersetzen und Übersetzt-Werden” von Ursula Krechel und Furui Yoshikichi. Wolfgang Schlecht, Waseda-Universität, beleuchtete anhand von Beispielen aus journalistischen Texten Probleme des ambigen Sprachgebrauchs und Fragen der Übersetzung von Sprachfiguren der zweiten Person Singular. Inoue Ken, Amerikanist und Komparatist an der TU Tōkyō, präsentierte mit der These von der “Dritten Literatur” zugleich einen Überblick über die Geschichte der literarischen Übersetzung ins Japanische im 20. Jahrhundert.
Die Rolle des Übersetzens in der Germanistik war das Thema des Referats von Ueda Kōji, Tsukuba Universität, während Nicola Liscutin, DIJ, feministische Ansätze in der Übersetzung japanischer Literatur vorstellte und dabei auf Fragen der Auswahl und der Präsentation japanischer Werke in westlichen Sprachen einging. “Vermarktungsprobleme japanischer Übersetzungen deutscher Gegenwartsautoren” stellte Hosaka Kazuo, Universität Tōkyō, vor, der sowohl das japanische Schulcurriculum und mangeln des Interesse seitens junger japanischer Leser als auch die spezifische Thematik deutscher Literatur für sinkende Aufmerksamkeit verantwortlich machte. Das Lektorieren japanischer Literatur im deutschen Sprachraum und die Probleme, die sich einem deutschen Lektorat beim Ausfindigmachen japanischer Titel stellen, beschrieb Anita Brockmann, Lektorin im Dumont Verlag. Aizawa Keiichi vertrat in seinem Referat “Zur Situation der Übersetzung nach dem Zeitalter der Literaturübersetzungen” die These, daß die Literatur als Fenster in eine fremde Welt, die vor allem in Japan seit der Meiji-Zeit von großer Bedeutung war, künftig immer stärker durch andere Textsorten und Medien ersetzt werden dürfte, woraus sich Konsequenzen für die Übersetzerpraxis ergäben. Aus der Perspektive eines Zeitschriftenredakteurs äußerte sich Yasuhara Akira, u.a. Begründer von Littéraire, der einzigen japanischen Zeitschrift, die ausschließlich literarischen Rezensionen gewidmet war, zum Image und den Plazierungsschwierigkeiten deutschsprachiger Texte. Aus umgekehrtem Blickwinkel beleuchtete abschließend Hubert Spiegel vom Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Stellenwert der japanischen Literatur im deutschen Feuilleton. Die im Anschluß an sein Referat diskutierten Fragen betrafen u.a. das Problem, Rezensenten mit Sachkenntnis und Urteilsvermögen hinsichtlich der Übersetzungsleistung zu finden, ohne sich zugleich von einer kleinen Zahl an Experten abhängig zu machen.
Im Zusammenhang mit dem Symposium fand auch die erstmalige Verleihung des Lessing-Übersetzerpreises der deutschen Bundesregierung – deutsch-japanisch- sowie der vom Goethe-Institut Tokyo gestifteten Max-Dauthendey-Feder für Übersetzungen aus dem Deutschen statt, die für zusätzlichesMedieninteresse sorgte. Eingeleitet wurde die Tagung am Vorabend mit einer Lesung aus dem mit der Dauthendey-Feder ausgezeichneten Text und einem Gespräch mit der Übersetzerin. Den Abschluß bildete eine Podiumsdiskussion, in der sich vier deutsche und vier japanische Übersetzer zu praktischen und konzeptionellen Fragen ein gelungenes Wortgefecht lieferten. Aus naheliegenden Gründen wurde dieses Symposium japanisch-deutsch gedolmetscht. Es wurde von der Saison Foundation gefördert. Eine Publikationder Beiträge wird vorbereitet.