Asian Discourses of Cultural and Political Self-Assertion in East Asia
November 30 - December 2, 2000
In den vergangenen zwei Jahrzehnten zeichnet sich in Ostasien, aber auch in anderen Regionen wie etwa in der islamischen Welt, eine Tendenz zur Behauptung oder Rückgewinnung der eigenen Identität in Abgrenzung zum “Westen” ab. Diese Bestrebungen sind durchweg an die sogenannte Wertefrage gebunden. Vergleiche werden also in der Regel nicht um ihrer selbst oder anthropologischer Erkenntnisse willen, sondern der “Werte” wegen betrieben. Im gegenwärtigen China ist ein zunehmend enger werdendes Zusammenspiel zwischen Kommunistischer Partei und “Neokonfuzianern” zu beobachten. In Japan berufen sich Politik, Administration und führende Intellektuelle wahlweise auf “urjapanische” oder asiatische Denkweisen. Analoge Beobachtungen lassen sich für Korea anstellen. Einige der Kernbegriffe dieser Diskurse sind asiatische “Innerlichkeit” versus westliche “Äußerlichkeit”, Geborgenheit in der Familie und kindliche Pietät sowie hierarchische Unterordnung versus Funktionalität und Kälte der westlichen sozialen Beziehungen, produktive Einordnung ins Kollektiv versus westlicher Individualismus und damit im Zusammenhang stehend die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler, sowie Struktur und Funktion von Ausbildung und Bildung insgesamt. Die Konfrontation “asiatischer” und “westlicher” Werte läßt sich bis in den Bereich der philosophischen Debatten, insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion um Heidegger, sowie im Bereich der differierenden Wirtschaftsethiken und konkurrierenden Interpretationen der Menschenrechte verfolgen. Politisch geht damit häufig die Beschwörung eines pazifischen Zeitalters einher, welches das 21. Jahrhundert bestimmen soll.
Diese im Grunde fundamentalistischen Gedankengänge werden im “Westen” nicht genügend wahrgenommen. Das hat zur Folge, daß der gedanklich-ideologische Hintergrund bestimmter politischer Verhaltensweisen (Beispiel Singapur) nicht in seiner “Tiefenschärfe” erkannt wird. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, daß Wissenschaftler und Politiker im “Westen” asiatischen Fundamentalismen geistige Schützenhilfe leisten. Anzumerken ist ferner, daß der größte Teil der Begriffe und Kriterien, nach denen hier “Eigenes” verortet wird (angefangen bei Nation, Rasse, Kultur), zumindest hybrider Natur, wenn nicht gar westlichen Ursprungs, auf keinen Fall jedoch, wie häufig beansprucht, “autochthon” ist.
Das Projekt setzt sich zur Aufgabe, die diesbezüglichen Entwicklungen in verschiedenen Gesellschaften (zunächst China, Japan, Korea, anschließend u.U. erweitert um Südostasien und den islamischen Raum) vergleichend zu erkunden. Dabei geht es um Erscheinungen wie den Rückgriff auf Vorgänger-Bewegungen, beispielsweise die Initiative zur “Überwindung der Moderne” (kindai no chōkoku) im Japan der frühen 40er Jahre, die von japanischen postmodernen Denkern in den 80er Jahren wieder aufgegriffen wurde. Zeitlich fallen diese ideologischen Vorläufer mit der Bewußtwerdung des durch den Einbruch des Westens verursachten Modernisierungsdruckes in den entspechenden Ländern zusammen.
Schwerpunktmäßig soll es jedoch um die Diskurse der vergangenen zwanzig Jahre gehen. Wie sind sie konstruiert? Wie geschah und geschieht die Vermittlung von der intellektuellen auf die Ebene des Alltagsdiskurses durch Politik und Medien? Welche Organisationen existieren oder wurden zur Verfolgung der angestrebten Ziele kultureller Selbstbehauptung gebildet? Berücksichtigt werden muß auch das Phänomen der double audience, das unterschiedliche Verhalten bestimmter Intellektueller im Inland und im Ausland, das Zusammenspiel von defensiven und offensiven Kulturdefinitionen u.a.m. Methodischen Fragen soll bei der Analyse besonderes Augenmerk gelten.
Die Konzeption des Projekts erfolgte durch Michael Lackner (Sinologie, Universität Göttingen/Erlangen), Kenichi Mishima (Sozialphilosophie, Universität Ōsaka), sowie Irmela Hijiya-Kirschnereit (Japanologie, DIJ Tōkyō). Das auf vier Jahre angelegte Projekt wird durch Sonderforschungsgelder der Japan Society for the Promotion of Science (JSPS) gefördert und fügt sich zugleich in den DIJ Forschungsschwerpunkt “Japan in Asien” ein.
Presentations
Day 1 November 30th (Thursday)
09.30 - 10.00
Eröffnung:
10.00 - 11.00
Ein asiatisches Japan oder ein japanisches Asien? – Ishihara Shintarō und die Ideologie des Asianismus
Klaus Antoni
11.00 - 11.30
Kaffeepause
11.30 - 12.30
Philosophie hinter den Spiegeln: Chinas Suche nach einer philosophischen Identität
Joachim Kurtz
12.30 - 14.00
Mittagspause
14.00 - 15.00
Der Nationalismus in einem geteilten Land: Eine konservative oder eine progressive Ideologie? – Der Fall Koreas
Song U. Chong
15.00 - 16.00
Identitätsdiskurse im Japan des 20. Jahrhunderts: Überlegungen zu ihrer Entstehung, Verbreitung und Wirkung
Steffi Richter
16.00 - 16.30
Kaffeepause
16.30 - 17. 30
Von der ie-Gesellschaft zur Konkurrenzgesellschaft: Schicht/Klasse als Parameter der Diskurstransformation
Iwasaki Minoru
Day 2 December 1st (Friday)
09.30 - 10.30
Zwischen Affirmation unNegation : Das Stichwort „Kultur“ in chinesischen Selbstbehauptungsdiskursen der d 80er und 90er Jahre
Xu Yan
10.30 - 11.00
Kaffeepause
11.00 - 12.00
Historisierung nationaler Gründungsmythen in Nordkorea und der VR China
Yvonne Schulz-Zinda
12.00 - 13.00
Die vier großen Erfindungen. Selbstzweifel und Selbstbestätigung in der chinesischen Wissenschafts- und Technikgeschichtsschreibung
Iwo Amelung
Day 3 December 2nd (Saturday)
13.00 - 14.30
Mittagspause
14.30 - 15.30
Nationalismus im Zeichen der Globalisierung - Südostasien und Japan als Fallbeispiele
Kimae, Toshiaki
15.30 - 16.00
Kaffeepause
16.00 - 17.00
Kulturelle Identität, Nationalismus und Regionalisierung
Alex Demirovic
Day 4 December 3rd (Sunday)
09.30 - 10.30
Die konstruktivistische Wende in der nationalistischen Selbstbehauptung.Am Beispiel revisionistisch-ultranationaler Entwürfe von Schulbüchern für den Geschichtsunterricht
Onuki, Atsuko
10.30 - 11.00
Kaffeepause
11.00 - 11.30
Rückblick und Auswertung
Michael Lackner