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Deutsches Institut für Japanstudien
DIJ Newsletter 65, Autumn 2021

Einzelheiten

2021, Deutsches Institut für Japanstudien


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    DIJ Newsletter 65, Autumn 2021

    DIJ Newsletter 65, Autumn 2021

    DIJ Newsletter 65 (full version)

    Artikel

    Weber, Torsten
    Aktueller Begriff mokushoku / mokuyoku

    Die Corona-Pandemie hat eine Vielzahl an Wortneuschöpfungen und festen Ausdrücken hervorgebracht, ohne die kaum eine Nachrichtenmeldung oder ein Gespräch auskommen. Viele stehen im Zusammenhang mit der Vermeidung der Ansteckung mit dem COVID-19 Virus. Während in Deutschland von 3G (geimpft, getestet, genesen) bzw. inzwischen von 2G (geimpft, genesen) die Rede ist, dominieren in Japan die „drei Engen“ und das „Schweigen“.

     


    Abes Masken (アベノマスク), Workation (ワーケーション), Stay Home (ステイホーム) – alles Begriffe, die seit der Corona-Krise in Japan in aller Munde waren oder noch sind. Die noch von der damaligen Regierung Abe im Jahr 2020 an alle Haushalte verteilten Masken verschlangen nicht nur Unsummen an öffentlichen Geldern (ca. 216 Millionen Euro), sondern erwiesen sich schnell auch als wenig hilfreich: sie waren zu klein und aus Stoff. Auch Workation und Stay Home verloren schnell ihren Charme. Ersteres war in der Regel eher Arbeit als Urlaub, und wer den ganzen Tag zuhause bleiben musste, oft in kleinsten Wohnungen, konnte sich schnell eingesperrt vorkommen.

    Der japanische Sprachwissenschaftler Yonekawa Akihiko sprach kürzlich in einem Artikel in der Yomiuri Shinbun (2. Juli 2021) davon, dass es sehr selten sei, „dass so viele neue Begriffe und Schlagworte im Zusammenhang mit einem sozialen Phänomen in so hoher Dichte auftauchten“ wie während der Corona-Krise. Selbst nach der Dreifach-Katastrophe von 2011 sei dies nicht der Fall gewesen.

    Der seit Frühjahr 2020 in Japan im Zusammenhang mit der Pandemie wohl am meisten verbreitete Begriff „sanmitsu“ 三密 (wörtlich etwa: drei Enge) wurde gar zum Wort des Jahres gewählt: er bezeichnet die weiterhin empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen, nämlich dichte Versammlungen (密集 misshū), enge Kontakte (密接 missetsu) und geschlossene Räume (密閉 mippei) zu vermeiden.

    Aber nicht zur Distanz, sondern auch Schweigen ist Gold in einer Pandemie.  Hinter unseren aktuellen Begriffen steht die Aufforderung in Restaurants möglichst schweigend zu essen (黙食 mokushuko) und im Onsen schweigend zu baden (黙浴 mokuyoku). Erfahrungen dieses Autors zufolge wird allerdings weder das eine noch das andere besonders streng befolgt, insbesondere dann, wenn sich mehrere Menschen zum Essen oder Baden verabredet haben. Das liegt möglicherweise auch daran, dass beide in Japan mehr noch als anderswo vor allem als soziale Aktivitäten gelebt und genossen werden – auch und vielleicht gerade in Krisen. 



    Weber, Torsten
    Projektstart in Quarantäne und Freiburg:
    Interview mit Celia Spoden und David M. Malitz

    Wir freuen uns sehr, unsere ersten beiden neuen Wissenschaftlichen Mitarbeiter seit Beginn der Pandemie begrüßen zu können: Celia Spoden und David M. Malitz. Im Interview stellen wir Ihnen beide vor. Während Celia vor kurzem in Tokyo angekommen ist, arbeitet David zunächst von Freiburg aus und freut sich auf seinen baldigen Umzug nach Japan.

    Wo seid Ihr gerade und wie geht es Euch?

    Celia: Ich bin gerade in Tokyo angekommen und in zweiwöchiger Quarantäne. Einerseits kann ich mich so ganz gut in mein neues Projekt einlesen, von meinem Jetlag und den turbulenten letzten Wochen in Hannover erholen. Andererseits fällt mir ein bisschen die Decke auf den Kopf. Ich würde gerne Joggen oder Schwimmen gehen, Freunde treffen und richtig in Tokyo ankommen.

    David: Wir sind Anfang August aus Bangkok nach Freiburg gezogen, wo wir uns auf die Einreise nach Japan Ende des Jahres freuen. In der Zwischenzeit arbeite ich mich in mein neues Projekt ein und biete an der Universität eine Veranstaltung zum modernen Thailand an. Nach mehreren Jahren in Bangkok freuen wir uns über das herbstliche Wetter hier in Freiburg.

    Wann wart Ihr zum letzten Mal in Tokyo und aus welchem Anlass?

    David: Im Sommer 2019 habe ich Vorträge in den Thaiistik-Seminaren der Waseda Universität und Osaka Universität gehalten – und eine Woche mit der Familie in Kyoto verbracht. Ein Short-term Fellowship der Japan Foundation im Sommer 2020 konnte ich pandemiebedingt leider nicht mehr antreten.

    Celia: Bei mir liegt es noch länger zurück. Ich war Anfang 2018 als Gast am DIJ. Damals hatte ich einen Reisekostenzuschuss der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, hauptsächlich für Literaturrecherchen für mein damaliges Projekt zu den Möglichkeiten der sozialen Teilnahme von Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS).

    Was nervt Dich an der Pandemie am meisten?

    Celia: Die Reisebeschränkungen und die unerwarteten Komplikationen, die damit verbunden waren. Die haben mich in den letzten Wochen beim Umzug nach Tokyo viele Nerven gekostet und einiges erschwert. In Hannover musste ich mehrere Testzentren kontaktieren, bis ich eines gefunden hatte, das mir das COVID-Formular des MHLW ausfüllt. Ein Visum zu bekommen war auch mit viel mehr Aufwand verbunden als sonst. In Tokyo konnte ich noch keine Wohnung suchen und bin Übergangsweise in einem Airbnb-Apartment. Auch vom Flughafen zur Quarantäne-Wohnung zu kommen, war gar nicht so einfach: mir war der Unterschied zwischen einem Taxi, das ich nicht benutzen darf und einem hired car, das ich benutzen darf, nicht klar. Jetzt in der Quarantäne muss ich täglich meinen Gesundheitsstatus berichten, meinen GPS-Standort senden und bekomme meist einen Videoanruf. Das nervt, weil es ein Eingriff in die Privatsphäre ist. Ich freue mich schon, die Apps in ein paar Tagen zu löschen.

    Und wie hat die Pandemie Dich beeinträchtigt?

    David: In Thailand wurde Anfang 2020 schnell und entschieden auf die Pandemie reagiert. Das hat aber leider eine starke dritte und vierte Welle nicht verhindert. Bibliotheken und Archive waren deshalb mehrfach und lange geschlossen. Und auch das Homeschooling verlangte zusätzlichen elterlichen Einsatz.


    Auf was freut Ihr Euch besonders in den ersten Wochen in Tokyo und am DIJ?

    David: Ich freue mich schon sehr auf die japanische Quellen. Die waren mir lange unzugänglich. Und natürlich auf die Begegnung mit neuen Kollegen und dem Wiedersehen alter Bekannte.

    Celia: Auch bei mir: viele bekannte Gesichter wieder zu sehen und Freunde zu treffen. Und leckere Dinge zu essen!

    Wie würdet Ihr einem Laien in einem Satz erklären, was Ihr am DIJ erforschen werdet?

    David: Ich will der Frage nachgehen, wie historisch gewachsene Institutionen und kulturelle Strukturen – als „health infrastructures“ – den Erfolg nationaler Gesundheitssysteme in Südostasien beeinflussen und wie Japan zu deren Aufbau beigetragen hat.

    Celia: Es geht um digitale Technologien wie Avatare, durch die es Menschen, die aufgrund von körperlichen Einschränkungen das Haus nicht verlassen können, möglich wird zu arbeiten und ich werde untersuchen, ob diese Entwicklungen neben neuen Freiheiten auch Risiken wie neue Formen der sozialen Ausgrenzung oder eine Verpflichtung zu Arbeiten und eine Kürzung von Sozialleistungen mit sich bringen.

    Welche drei Hashtags würden Eure Forschungsprojekte am besten beschreiben?

    Celia: #telework, #cyberphysicalspaces, #society5.0
    David: #Japan, #ASEAN, #healthinfrastructures

    Verratet Ihr uns Euren Lieblingsort in Japan, den Ihr möglichst bald besuchen wollt?

    David: Ama-no-Hashidate in der Präfektur Kyoto, allerdings nicht vor dem Frühling.

    Celia: Oh, da gibt es mehrere. Ich habe eine Zeitlang in Kichijoji/Inokashira gewohnt. Dort gibt es viele Orte wie Cafés, Restaurants, Izakayas und natürlich den Park, wo ich hinfahren werde, sobald die Quarantäne vorbei ist. Ein anderer Lieblingsort ist Okinawa. Da habe ich studiert und würde sobald wie möglich gerne Freunde besuchen.