Wertewandel im Japan der Nachkriegszeit
Januar 1989 - Januar 1996
Das erste mittelfristige Forschungsprojekt des DIJ war der Frage gewidmet, ob und inwieweit in Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Wandel in den offiziell vertretenen und gesamtgesellschaftlich verbindlichen Werten sowie in den Mentalitätsstrukturen der Individuen hin zu mehr Individualität und Egalität feststellbar ist und wie sich ein solcher Wandel in Familie und Arbeitswelt als den wichtigsten Lebensbereichen des Einzelnen äußert. Die Fragestellung erhielt ihre Relevanz durch die oft vorgetragene Behauptung, daß die ökonomische Entwicklung in Japan im Gegensatz zu den westlichen Industrieländern an die Beibehaltung traditioneller Denk- und Sozialstrukturen geknüpft sei.
Zentral für das Forschungsprojekt war neben zahlreichen Analysen von Sekundärmaterial eine repräsentative Umfrage, die im Mai 1991 von einem japanischen Meinungsforschungsinstitut im Auftrag des DIJ durchgeführt wurde. Die Auswertung der Fragen, die speziell auf die zu untersuchende Problematik hin formuliert worden waren, orientierte sich an dem von H. Klages (Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer) entwickelten Konzept des Wertewandels und lief auf die Bildung von Typen hinaus, die sich in ihrer Werteausstattung und davon ausgehend in den vertretenen Einstellungen in bezug auf Selbstentfaltung und Hierarchie deutlich unterscheiden.
Die Untersuchungen ergaben, daß im Verlauf der Nachkriegszeit durchaus eine wachsende Bedeutung von Individualismus und Egalität in der japanischen Gesellschaft diagnostiziert werden kann. Allerdings wurde auch festgestellt, daß die Entwicklung der Mentalitätsstruktur in Japan nicht auf eine simple Ersetzung kollektiver durch individualistische Werte hinausläuft. Vielmehr zeigt sich eine Pluralisierung von Wertemustern, wobei in der Mentalitätsstruktur des Individuums traditionelle Werte der Kollektivität und der Hierarchie mit modernen Werten der Selbstentfaltung und der Egalität koexistieren können.