Die Werte der Nachhaltigkeit und die Nachhaltigkeit der Werte im heutigen Japan
seit Oktober 2022
Die japanische Gesellschaft wird häufig als vor zahlreichen großen Herausforderungen stehend beschrieben. Dazu zählen eine alternde und schrumpfende Bevölkerung, eine zunehmende sozioökonomische Stratifikation, Schwierigkeiten bei der Anpassung an die Globalisierung und die interne ethnische Diversifizierung. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wird in der Politik und in den Medien die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung sowie der Wiederbelebung und Resilienz von Gemeinschaften propagiert. Betont werden in diesem Kontext Werte, die man als "Werte der Nachhaltigkeit" bezeichnen könnte. Zu diesen gehören: der Schutz der Umwelt, die Unterstützung lokaler Gemeinschaften, der Respekt vor Traditionen und die Bewahrung der Nation und der Welt für künftige Generationen.
In der Zivilgesellschaft gibt es eine Vielzahl sozialer Institutionen, die Überzeugungen und Praktiken verbreiten, die bestimmte Arten von Nachhaltigkeit beinhalten. Dazu zählen buddhistische, schintoistische und christliche religiöse Gruppierungen und sogenannte „neue Religionen“, aber auch säkulare Organisationen aus dem Bereich der „sozialen Bildung“ wie das RINRI Ethikinstitut, die Vereinigung für Praktische Ethik und die Moralogie Stiftung. Sie alle vertreten Überzeugungen und Praktiken, die öffentliche Mainstream-Diskurse und "Werte der Nachhaltigkeit" widerspiegeln, allerdings aus der Perspektive religiöser Kosmologien und "traditioneller" Moralphilosophien. Gleichzeitig ist die weite Verbreitung dieser Werte in Japan auch ein Zeichen dafür, dass verschiedene soziale Institutionen gemeinsame moralische Werte und eine Sozialethik im Alltag pflegen und fördern, was man als "Nachhaltigkeit der Werte" in der heutigen japanischen Gesellschaft bezeichnen könnte.
In diesem Projekt wird anhand von Längsschnittstudien vor Ort und Interviews mit Mitgliedern und Leitern religiöser und säkularer Organisationen aus dem Bereich der „sozialen Bildung“ untersucht, wie die Diskurse und Praktiken der Nachhaltigkeit mit umfassenderen Konzepten moralischer Normen und Werte zusammenhängen. Das Projekt zielt auch darauf ab, die Beziehung zwischen religiösen Organisationen und Ideologien zur Mainstream-Sozialethik in Japan zu hinterfragen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Orten, Konturen und Dynamiken moralischer Autorität von der Nachkriegszeit bis heute.