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Wissenslabor: Wissensproduktion und Wissensinfrastrukturen
seit März 2024
Leiter des Wissenslabors: Harald Kümmerle
Die Rolle von Expertenwissen hat in den letzten Jahren anlässlich der Corona-Pandemie große öffentliche Aufmerksamkeit erfahren (Büttner und Laux 2021). Dabei wurde erneut deutlich, dass es zu komplexen gesellschaftlichen Entscheidungsproblemen meist mehrere konkurrierende Einschätzungen und Lösungsvorschläge gibt. Dies folgt aus der Unvollständigkeit und der damit verbundenen Situiertheit von Wissen (Haraway 1988). Die Orts- und Zeitbezogenheit von Wissen tritt in den Regionalfächern besonders deutlich zutage und wird dort in der komparativen Forschung häufig auch explizit thematisiert. Hierarchisierung von Sprachen und Wissensordnungen wird dabei kritisch hinterfragt. Unterschiede in der Wahrnehmung und Deutung gesellschaftlicher Herausforderungen und den daraus abgeleiteten Handlungsstrategien liefern Rückschlüsse darüber, wie Wissensproduktion und Wissensnutzung durch lokale und kulturelle Kontexte beeinflusst werden. Prozesse der Dekolonisierung stehen in produktiver Spannung zur politischen Willensbildung in Nationalstaaten.
Das Wissenslabor „Wissensproduktion und Wissensinfrastrukturen“ soll den transdisziplinären Dialog zwischen den am DIJ tätigen und kooperierenden Forschende fördern. Die eigenen Forschungsprojekte dienen uns dabei als Fallstudien für eine Reflektion über Wissensproduktion und Wissensinfrastrukturen. Letztere umfassen Institutionen und Netzwerke, durch die Produktion und Nutzung von Expertenwissen koordiniert werden (Edwards et al. 2013). Hierbei sind zwei Ebenen der Wissensproduktion und Wissensinfrastrukturen zu verknüpfen – die des Forschungsgegenstands im engeren Sinne und die des eigenen Forschungsinteresses und der damit verbundenen Vorprägung. Im Ergebnis führt dies zu einer integrierten Kontextualisierung der Entstehungsgeschichten der Phänomene, die Auslöser und Gegenstand der Forschung sind (Mauthner 2023) und damit zu einem tieferen Verständnis des eigenen Themenfeldes und der eigenen, darauf bezogenen Untersuchungen sowie allgemein dessen, was Forschende tun bzw. was Forschung ist.
Die digitale Transformation verleiht dem Thema eine zusätzliche Relevanz. Die Virtualisierung verändert Wissensproduktion und Wissensinfrastrukturen mit weitreichenden Folgen für die regional ausgerichteten geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Diesen Themenkomplex wollen wir unter anderem im Rahmen unserer Beteiligung an den Konsortien 4Memory und Text+ der Nationalen Forschungsdateninfrastrukturen (NFDI) verfolgen.
Büttner, S.M., Laux, T., 2021. Umstrittene Expertise und die Wissensproblematik der Politik: Eine Einführung, in: Büttner, S., Laux, T. (Eds.), Umstrittene Expertise: Zur Wissensproblematik der Politik, Leviathan. Sonderband. Nomos, Baden-Baden, pp. 13–40.
Edwards, P. N., Jackson, S. J., Chalmers, M. K., Bowker, G. C., Borgman, C. L., Ribes, D., Burton, M., & Calvert, S. (2013). Knowledge Infrastructures: Intellectual Frameworks and Research Challenges. Ann Arbor: Deep Blue.
Haraway, D. 1988. „Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective.“ In Feminist Studies, 1988, Vol. 14 (3), 575-599.
Mauthner, N. 2023. “Diffractive Genealogy”, in Rodekirchen, M., Pottinger, L. Briggs, A., Barron, A., Eseonu, T., Hall, S. and Browne, A.L. (eds.) Methods for Change Volume 2: Impactful social science methodologies for 21st century problems. Manchester: Aspect and The University of Manchester, https://aspect.ac.uk/resources/diffractive-genealogy-method/