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Deutsches Institut für Japanstudien

Geschichte der Mathematik im modernen Japan

 Januar 2020 - Februar 2024

Während die eigenständige Mathematiktradition im Japan der Edo-Zeit (die sogenannte wasan) bereits eine gewisse Aufmerksamkeit in der historischen Forschung erhalten hat, handelte es sich bei meiner Dissertation um die erste monographische Abhandlung zur Mathematik im modernen Japan. Der Blick auf die Institutionalisierung und Wissenszirkulation, der dort der Mathematik als Wissenschaft im Japan der Meiji- und Taishō-Zeit galt, soll im Rahmen dieses Forschungsprojektes thematisch und auf die Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ausgeweitet werden.

Es stellt sich als gewinnbringend heraus, neben Diskontinuitäten auch Kontinuitäten zwischen der vormodernen und der modernen Mathematik in Japan zu suchen. Während das Bildungsministerium vor allem den Austausch mit europäischen und amerikanischen Mathematikern förderte, können die Entstehung einer nationalen Fachcommunity und die Etablierung des Japanischen als Wissenschaftssprache als Ausgleichsprozess gesehen werden. Eine strikte Trennung ist aber schon deshalb nicht möglich, weil von den mit staatlicher Förderung im Ausland weitergebildeten Professoren erwartet wurde, ihr Wissen auch als Bürokraten einzubringen – vielversprechend sind hier breitere Untersuchungen, die die Mathematik im höheren Bildungssystem kontextualisieren und Verbindungen zu anderen Wissenschaften wie der Physik und der Philosophie herausarbeiten.

Von besonderem Interesse sind Zeitschriften und Lehrbücher, denen bei sprachlichen und kulturellen Übersetzungsprozessen eine zentrale Rolle zukam. Von der vielfältigen Publikationslandschaft der Meiji-Zeit bis hin zur leistungsfähigen Infrastruktur für disziplininterne Kommunikation Ende der 1930er-Jahre finden sich zahlreiche Gegenstände, bei denen wissenssoziologische Perspektiven neue Einsichten verhelfen. Da auch chinesische und koreanische Studenten an japanischen Universitäten Mathematik studierten und sich die geknüpften Netzwerke teilweise erhalten blieben, wird auch ein Beitrag zur ostasiatischen Mathematikgeschichte geleistet.


Aktuelle Publikationen

Kümmerle, Harald (2024). "Tannaka Tadao‘s 1938 paper on the duality of non-commutative topological groups and its historical background". In: Krömer, Ralf & Haffner, Emmylou (Eds.), Duality in 19th and 20th century mathematical thinking (pp. 355-434). Birkhäuser. (Science Networks. Historical Studies). LINK
Kümmerle, Harald (21. Februar 2024). "#readme.txt: Die Institutionalisierung der Mathematik als Wissenschaft im Japan der Meiji- und Taishō-Zeit". [gab_log] Geisteswissenschaften als Beruf. LINK
Kümmerle, Harald (2023). "多様性の不足こそが可能にする方法論的貢献 (Methodological contributions that are made possible especially through a lack of diversity)". In: 第26回国際科学史技術史医学史大会報告集 (Collection of reports on the 26th International Congress for the History of Science and Technology) (pp. 44-45). 日本学術会議史学委員会 (Commission for History in the Science Council of Japan).
Kümmerle, Harald (2022). "近代日本の数学の発展と当時の大学の制度: 教授職就任につながる「知識生産」[The development of mathematics in modern Japan and the university system at that time: The "knowledge production" connected to assuming a professorship]". 日本語と日本語教育 [Japanese language and Japanese language education], 50.
Kümmerle, Harald (2022). Die Institutionalisierung der Mathematik als Wissenschaft im Japan der Meiji- und Taishō-Zeit (1868-1926). Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften (Acta Historica Leopoldina). LINK
Kümmerle, Harald (2021). "博士論文「明治・大正時代の日本における数学の科学として の制度化」:その成果と新たな問題提起 [Doctoral thesis on the Institutionalization of mathematics as a science in Meiji- and Taishō-era Japan: Results and proposition of new problems]". RIMS Kôkyûroku Bessatsu, B85 (pp. 143-153).