Gesellschaftlicher Wandel im Japan der Moderne - Staat, Familie, Individuum
Januar 1994 - Dezember 1969
Den Ausgangspunkt dieses Forschungsvorhabens bildete die Frage, zu welchen Strukturen der Prozeß der gesellschaftlichen Modernisierung in Japan geführt hat. Im Gegensatz zu dem vorangegangenen Institutsprojekt "Wertewandel im Japan der Nachkriegszeit" standen dabei nicht grundlegende Mentalitätsstrukturen, sondern vielmehr Einstellungen und tatsächliches Verhalten im Vordergrund. Zwar lassen sich in Japan ähnliche Veränderungen beobachten wie in Europa seit den späten 1960er Jahren, etwa eine Infragestellung der Universalität der Ehe oder eine durchgängige Berufstätigkeit von Frauen, doch dies muß andererseits nicht bedeuten, daß die japanische Gesellschaft die westliche Entwicklung genau nachvollzieht. Mit jeweils eigener Methodik wurden die japanische Familie, Geschlechterrollen japanischer Jugendlicher, politische Reformen, die Pflege alter Menschen sowie das Familienbild in populären japanischen Fernsehserien behandelt. Die zu dem letztgenannten Thema auf dem Symposium "Das Bild der Familie in den Medien" gehaltenen Vorträge wurden 1998 veröffentlicht.
Innerhalb des Projekts wurde jedes Jahr ein neuer multidisziplinärer Arbeitsschwerpunkt gesetzt. 1997 stand das Thema "Pflege alter Menschen in ihrer familiären und regionalen Dimension" im Vordergrund. In diesem Jahr hatte Japan mit einem Anteil alter Menschen (65 Jahre und älter) von 15,5% mit Deutschland nahezu gleichgezogen und - ähnlich wie Deutschland wenige Jahre zuvor - eine Pflegeversicherung eingeführt. Vor diesem Hintergrund wurden Ähnlichkeiten und Unterschiede in der demographischen Ausgangslage und bei der sozialpolitischen Behandlung der Alterungsproblematik in beiden Ländern herausgearbeitet. Konzeption und Organisation eines Symposiums zu diesem Thema lagen in der Obhut von Ralph Lützeler und Christian Oberländer.
Im Jahr 1998 standen die Reformen im politischen System Japans im Zentrum, insbesondere die Beantwortung der Frage, inwiefern die Veränderung der durch das politische System gesetzten Rahmenbedingungen den gesellschaftlichen Wandel fördert. Ralph Lützeler und Verena Blechinger untersuchten die Reform des Wahlsystems und ihre Auswirkungen auf den politischen Entscheidungsprozeß und das Wahlverhalten. Eine internationale Konferenz im Juli 1998 mit dem Titel "Political Reform in Japan - Entering a New Era of Japanese Democracy?" analysierte aus verschiedenen Blickwinkeln die bis dahin getroffenen Reformmaßnahmen und die Reaktionen der politischen Akteure.
In den Jahren 1999 und 2000 standen Männer- und Frauenrollen im Mittelpunkt. Aus der Perspektive der gender studies wurden die Vaterrolle in ihrer historischen Entwicklung, die Ausformungsprozesse von Geschlechteridentität in der Jugendphase aus erziehungswissenschaftlicher Sicht und das aktuelle Problem des sexual harassment aus politikwissenschaftlicher Perspektive untersucht. Die verantwortlichen DIJ-Mitarbeiter waren Verena Blechinger, Harald Fuess und Susanne Kreitz-Sandberg. Im April 1999 fand ein Symposium zum Thema “Andere Welten? Jugend in Japan und Deutschland” statt.