Regional Cooperation in Asia: Will Japan stand up toa Leadership Role?
8. Oktober - 9. Oktober 1998
Im Rahmen seines neuen Forschungsschwerpunktes „Japan in Asien“ veranstaltete das Deutsche Institut für Japanstudien (DIJ) mit Unterstützungder Friedrich-Ebert-Stiftung im Oktober in Tōkyō die zweiteinternationale Konferenz. Gegenstand waren der polit-ökonomische Kooperations-und Integrationsprozeß in Asien und die Frage, welche Rolle Japan darin zukommt. Diese Thematik bildet nicht nur seit 1997 einen Schwerpunkt der Forschungsarbeit der beiden Konferenzorganisatoren, Verena Blechinger (Politikwissenschaften) und Jochen Legewie (Wirtschaftswissenschaften), sie hat auch spätestens seit dem Sommer 1997 mit dem Ausbruch der asiatischen Finanz- und Wirtschaftskrise über ihre grundsätzliche Bedeutung hinaus an Tragweite gewonnen. Dies zeigte sich nicht zuletzt am großen Interesse an dieser Konferenz mit über 100 Teilnehmern aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und den Medien. Die Kernfrage der Tagung nach einer japanischen Führungsrolle innerhalb des regionalen Kooperationsprozesses in Asien berührt in nahezu allen Bereichen gleichzeitig politische wie wirtschaftliche Aspekte, die von einander losgelöst nur in den seltensten Fällen sinnvoll zu diskutieren sind. So stellte auch die formale Organisation der Konferenz mit einem politikwissenschaftlichen Schwerpunkt am ersten und einem wirtschaftswissenschaftlichen Fokus amzweiten Tag nur äußerlich eine Trennung der beiden Fachdisziplinen dar.
Schon die Keynote Speech und die ersten Diskussionsrunden machten deutlich, daß das Konferenzthema nur durch eine disziplinübergreifende Behandlung vollständig zu erfassen ist. Die Eröffnungsrede von Prof. Kent Calder (Princeton University, derzeit US-Botschaft Tōkyō) stützte sich auf drei Leitfragen: „Will Japan eine Führungsrolle in Asien einnehmen?“ „Will Asien geführt werden?“ und „Wie kann und soll eine japanische Führungsrolle in Asien aussehen?“ Prof. Calder ging zunächst auf die historische Dimension des Themas ein und machte deutlich, daß Japan etwa durch den Modernisierungsprozeß in der Meiji-Zeit oder durch seinen wirtschaftlichen Aufstieg nach dem Zweiten Weltkrieg anderen asiatischen Staaten als Vorbild diente und so auch seine Fähigkeit zur Übernahme einer Führungsrolle in Asien unter Beweis gestellt hat. Gleichzeitig haben jedoch die Erfahrungen des japanischen Imperialismus und der Besatzung während des Zweiten Weltkriegs beiden asiatischen Nachbarstaaten deutliche Vorbehalte gegenüber einem Führungsanspruch Japans in Asien wachsen lassen. Bei der Suche nach der Anerkennung eines japanischen Führungsanspruchs durch die asiatischen Nachbarstaaten komme der japanischen Politik jedoch die in den letzten Jahren z.B. bei der Lösung des Kambodscha-Konflikts verfolgte Strategie zugute, hinter den Kulissen Kompromisse herbeizuführen. Fragt man nach den Akteuren, die in Japan am stärksten auf die Übernahme einer Führungsrolle in Asien drängen, so sah Calder diese im Bereich der Industrie. Die Region Asien biete japanischen multinationalen Unternehmen nicht nur bedeutende Absatzmärkte und Rohstoffquellen,sondern habe für diese auch aufgrund der dort bereits getätigten umfangreichen Direktinvestitionen große Bedeutung erlangt. Eine japanische Führungsrolle in Asien sei daher nur als eine Kombination aus „stiller Diplomatie“ und wirtschaftlichem Engagement zu beschreiben.
Auf die Keynote Speech folgte das erste von insgesamt drei politikwissenschaftlich ausgerichteten Panels, das mit Political Integration in Asia: Conceptsand Ideas überschrieben war. Im Mittelpunkt der beiden Vorträge zu diesem Themenbereich stand die Diskussion um das auf einem Vorschlag des malaysischen Präsidenten Mahathir Mohamad basierende Konzept eines aus asiatischen Staaten gebildeten regionalen Beratungsgremiums, des East Asian Economic Council (EAEC). Michio Kimura (Institute of Developing Economies) zeichnete den Verlauf der Debatte innerhalb der ASEAN nach. Hinter der Aufforderung an Japan, innerhalb des EAEC eine führende Rolle zu übernehmen und so die Integration Ostasiens voranzutreiben, stehe nicht nur die Überlegung, dem EAEC durch die Einbindung Japans höheres Gewicht zu verleihen und japanische Industrien in der Region zu halten. Darüber hinaus solle die Beteiligung der wirtschaftlichen Supermacht Japan am EAEC auch dazu beitragen, die Staaten der Region vor internationalen Interventionen zu bewahren. Dr. Verena Blechinger (DIJ) stellte diesen Ausführungen die innerjapanische Diskussion über den EAEC und die Frage einer politischen Führungsrolle Japans in Asien gegenüber. Dabei machte sie deutlich, daß besonders die Vertreter japanischer Großunternehmen und Wirtschaftsverbände ein stärkeres politisches Engagement Japans in der Region befürworten. Während die traditionellen außenpolitischen Eliten eine vorsichtige, an der Haltung der USA orientierte Position einnehmen, treten Interessengruppen des privaten Sektors, der das wirtschaftliche Geschehen in der Region bereits seit längerer Zeit maßgeblich bestimmt, aktiv für die Übernahme einer politischen Führungsrolle Japans in Asien ein. Angesichts des seit dem Ende des Kalten Krieges steigenden Einflußpotentials insbesondere multinationaler Unternehmen auf die japanische Außenpolitik ist für die Zukunft mit einer aktiveren und eigenständigeren Rolle Japans in der Region zu rechnen.
Zum Auftakt des zweiten Panels mit dem Titel Institutions and Actors untersuchte Prof. Glenn Hook (University of Sheffield) die sicherheitspolitische Rolle Japans in Asien am Beispiel des ASEAN Regional Forum (ARF). Prof. Hook argumentierte, daß das japanische Engagement für den ARF in erster Linie als Ergänzung zur bilateral am Bündnis mit den USA ausgerichteten japanischen Sicherheitspolitik zu verstehen sei. Dies ließe sich nicht nur durch externe Faktoren, wie etwa die Transformation der japanisch-amerikanischen Beziehungen nach dem Ende des Kalten Krieges erklären, sondern es müßten auch innerjapanische Entwicklungen, insbesondere die Suche nach einer asiatischen Identität, in die Untersuchung mit einbezogen werden. Prof. Ryūhei Hatsuse (Universität Kōbe) ging in seinem Referat der Frage nach, welche Rolle nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) in der japanischen Politik insbesondere gegenüber Asien zukommt. Er ging dabei vor allem auf die gesellschaftlichen Voraussetzungen für NGO-Aktivitäten ein und stellte die These auf, daß in asiatischen Gesellschaften, anders als im Westen, die Existenz einer ausgeprägten Zivilgesellschaft („civil society“) keine notwendige Bedingung für den Erfolg von NGOs darstellt.
Das dritte Panel mit dem Titel Japanese Leadership at Work: The Case of Japanese ODA wurde durch einen Vortrag von Prof. Dennis Yasutomo (Smith College) zur multilateralen Entwicklungshilfepolitik Japans eingeleitet. Yasutomo bewertete dabei den derzeitigen Rückgang japanischer Aktivitäten in internationalen Entwicklungsbanken als lediglich kurzfristige Stagnation. Während Japan noch Mitte der 90er Jahre in diesem Politikfeld einen Führungsanspruch geltend machen konnte, hätten die Asienkrise, die politischen und wirtschaftlichen Probleme im Inland, aber auch Spannungen im japanisch-amerikanischen Verhältnis zu einer Umorientierung japanischer Entwicklungshilfe auf die bilaterale Ebene geführt. Aufgrund des hohen politischen Potentials, das für Japan im Instrument multilateraler Entwicklungshilfe enthalten ist, prognostizierte Yasutomo für die Zukunft eine Fortsetzung oder sogar Ausweitung japanischer multilateraler Entwicklungshilfe. Japans bilaterale Entwicklungshilfe stand im Mittelpunktdes Referats von Prof. Kiichi Fujiwara (Universität Tōkyō),der der Frage nachging, in wiefern Kapitalflüsse aus dem Ausland politische Stabilität bzw. Wandel in den Empfängerstaaten beeinflussen. Anhand eines Vergleichs der japanischen Unterstützung für Indonesien und amerikanischer Entwicklungshilfe für die Philippinen kam er zudem Schluß, daß US-Entwicklungshilfeprojekte mehr darauf ausgerichtet sind, politischen Wandel zu beschleunigen, während japanische Entwicklungshilfe dazu tendiert, den Status Quo zu erhalten.
Japanese Economic Policy toward Asia bildete das Thema des erstenWirtschaftspanels am zweiten Konferenztag. Den Auftakt machte Prof. Ryōkichi Hirono (Seikei Universität). Er ließ in einer historischen Rückschau die japanische Wirtschaftspolitik gegenüber Asien Revue passieren, wobei er im Zeitablauf eine deutliche Veränderung sowohl ihrer Motive in Japan als auch ihrer Auswirkungen auf Asien ausmachte. Standen zunächst noch eigene Handelsvorteile deutlich im Vordergrund, so betonte er unter Verweis auf die pro-aktive Stellung Japans gegenüber supra-nationalen Organisationen wie der Asian Development Bank oder der APEC die danach zunehmend verantwortungsvolle und die Interessen der asiatischen Staaten berücksichtigende Wirtschaftspolitik der jüngeren Vergangenheit. Damit verteidigte er Japan auch gegenüber dem im Westen häufig anzutreffenden Vorwurf einer egoistischen und oft zu zögerlichen Außenpolitik in Asien. Aus asiatischer Perspektive beschrieb Dr. Teofilo Daquila (National University of Singapore) die japanische Wirtschaftspolitik gegenüber Asien ebenfalls als überwiegend positive Erfahrung. Hierbei betonte er nicht nur unter Rückgriff auf Handels- und Investitionszahlen den unverzichtbaren Beitrag der japanischen Wirtschaft am „asiatischen Wirtschaftswunder“. Darüber hinaus stellte er vielmehr die japanische Infrastrukturförderung, vor allem im Bereich Ausbildung als wesentlich heraus.
Im zweiten Panel zu Financial Cooperation and Integration stellte Prof. Werner Pascha (Gesamthochschule Duisburg) zunächst fest, daß das regionale Kooperationsniveau im Finanzbereich bis zum Ausbruch der asiatischen Finanzkrise vergleichsweise niedrig lag, wie regionale Aktivitäten (z.B. Asian Development Bank) auch seit dem lediglich die Aktionen des Hauptakteurs IWF unterstützend flankieren. Daran wird sich seiner Einschätzung nach in der Zukunft (einschließlich der eher zurückhaltenden Rolle Japans) kurzfristig nicht viel ändern, zumal Gefahren wie Moral Hazard und Interessenkollusionen auch aus normativer Sicht ein asiatisches Kooperationsmodell in diesem Bereich wenig sinnvoll erscheinen lassen.Auf die Zusammenhänge zwischen der asiatischen und der japanischen Finanzkrise ging Prof. Akiyoshi Horiuchi (Universität Tōkyō) ein, indem er gemeinsame Hintergründe der Probleme im Bankensektor Japans und Asiens ausmachte. Dabei stelle er die mangelnde Kontrolle des Bankenmanagements als Hauptursache der gegenwärtigen Finanzschwierigkeitenin Japan heraus, die er somit als ein Governance-Problem identifizierte.
Das Panel Overseas Investment and Industrial Relations begannmit der Präsentation und Auswertung einer aktuellen Umfrage der japanischen Export-Import Bank zum Investitionsverhalten japanischer Industrieunternehmenin Asien durch Shigeki Tejima (EXIM Bank). Dabei wurde deutlich, daß die aktuelle Krise zwar die Umsatz- und Gewinnerwartungen japanischer Firmenstark negativ beeinflußt. Mittel- und langfristig ist jedoch auch dann weiterhin von einem hohen Investitionsniveau durch japanische Unternehmen auszugehen, wenn es gelingt, die Integration der asiatischen Märkte fortschreiten zu lassen und dort tätige Unternehmen wachsende Größenvorteile bei Produktion und Absatz ausnutzen können. Die Ausschöpfung von Größen- und Verbundvorteilen stand auch im Mittelpunkt des Beitrags von Dr. Jochen Legewie (DIJ) zur Entwicklung der südostasiatischenAutomobilindustrie. Dieser mangelt es als Ausdruck eines unverändert starken Nationalismus und einer zu starken Fragmentierung der einzelnen nationalen Märkte nach wie vor an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die mangelnde Kooperationsfähigkeit auf regionaler Ebene scheint derzeit nur durch japanische Hersteller, welche die Produktion in Südostasien bis heute klar dominieren, überwindbar. Diese haben nicht nur in der Vergangenheit gegenüber nationalen Interessen bei der Durchsetzung regionaler Kooperationsbemühungen die entscheidende Rolle gespielt, sondern sie nehmen diese Position aus Eigeninteresse auch in der derzeitigen,von wieder auflebendem Protektionismus gekennzeichneten Krisensituation wieder ein. Zu einer ebenfalls positiven Einschätzung der aktuellen Rolle japanischer Unternehmen in Asien kam Prof. Shōichi Yamashita (Universität Hiroshima). Sein Beitrag behandelte den Technologietransferdurch Industrieunternehmen, der die entscheidende Voraussetzung zur Verbesserung des nationalen technischen Ausbildungsstandes in vielen asiatischen Staatendarstelle. Japanischen Unternehmen stellte er hierbei ein durchweg positives Zeugnis aus, das er auf Traditionen wie In-House- und On-The-Job-Training in Asien zurückführte, die seit Ausbruch der Krise zunehmend durch längere Ausbildungsaufenthalte in Japan ergänzt werden.
Abgerundet wurde die Konferenz am Ende des zweiten Tages von einer Panel-Diskussion, in der Vertreter der Wissenschaft, Medien, Privatwirtschaft und einer supra-nationalen Organisation der Frage nach einer japanischen Führungsrolle in Asien aus ihren jeweiligen Blickwinkeln und kontrovers nachgingen. Die Teilnehmer des Panels, Prof. Kurt Radtke (Waseda Universität), Peter Landers (Far Eastern Economic Review), Yoshihiro Matsukawa (Matsushita Panasonic), Louis Ross (Merryl Lynch) und Takashi Onda (ASEAN Centre). Eine abschließendeund allumfassende Antwort auf die Kernfrage “Will Japan Stand up to a LeadershipRole?“schließ sich auch nach zwei Konferenztagen erwartungsgemäß nicht finden. Vielmehr wurde deutlich, daß diese Frage lediglichden Rahmen für verschiedene Unterfragen liefert. Will Japan eine Führungsrolle in Asien übernehmen, und kann es dies? Wollen die asiatischen Nationen überhaupt von Japan geführt werden, und wie denken andere Mächte wie die USA oder China über einen Führungsanspruch Japans in Asien? Während im wirtschaftlichen Bereich (mit der wesentlichen Ausnahme des Finanzbereiches) Japan und japanische Unternehmen schon seit langem eine explizite Führungsrolle in der Region Asien übernehmen, stellt sich die Situation im politischen Bereich weniger eindeutig dar. Man kann zwar seit dem Ende des Kalten Krieges von einer Neuorientierung der japanischen Außenpolitik sprechen, bei der die Frage eines stärkeren politischen Engagements in Asien zentrale Bedeutung erlangt hat. Der Übernahme einer politischen Führungsrolle Japans in Asien stehen jedoch auch auf längere Sicht historische Belastungen sowie bündnis- und sicherheitspolitische Rücksichten im Wege. „Political Leadership“ kann Japan daher nur ausüben, wenn es seine bisherige „stille Diplomatie“ weiterverfolgt und sich den asiatischen Nachbarn wie auch seinem Bündnispartner USA nicht als pro-aktiver Akteur, sondern als „honest broker“ und „faithful mediator“ präsentiert.
Verena Blechinger und Jochen Legewie
Vorträge
Tag 1 8. Oktober (Donnerstag)
Begrüßung, Einführung
Keynote speach
Political Focus: Panel 1 (Political Integration in Asia: Concepts and Ideas)
Verena Blechinger
Kimura Michio, Institute of Developing Economies
Panel 2 (Institutions and Actors)
Glenn D. Hook, University of Sheffield
Hatsue Ryūhei, Kōbe University
Panel 3 (Japanese Leadership at Work: The Case of Japanese ODA)
Dennis Yasutomo, Smith College
Fuijwara Kiichi, Tokyo University
Tag 2 9. Oktober (Freitag)
Economical Focus: Panel 1 (Japanese Economic Policy toward Asia)
Hirono Ryōkichi, Seikei University
Teofilo Daquila, National University of Singapore
Panel 2 (Financial Cooperation and Integration)
Werner Pascha, University Duisburg
Horiuchi Akiyoshi, Tokyo University
Panel 3: (Overseas investment and industrial relations)
Tejima Shigeki, Export-Bank of Japan
Jochen Legewie
Yamashita Shōichi, Hiroshima University
Final Panel Discussion
Onda Takashi, ASEAN Centre; Matsukawa Yoshihiro, Matsushita Panasonic; Peter Landers, Far Eastern Economic Review; Louis Ross, Merrill Lynch Japan; Kurt-Werner Radtke, Waseda University; Moderation Verena Blechinger und Jochen Legewie, DIJ