Veranstaltungsort
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg
Kollegienhaus, Raum KH 0.024
Universitätsstraße 15
Drittes Symposium "Asiatische Selbstbehauptungsdiskurse"
Die Allgegenwart von Selbstbehauptungsdiskursen in Ostasien: Chinesische, japanische und koreanische Perspektiven
12. Dezember - 14. Dezember 2002
Tendenzen zur Behauptung oder Rückgewinnung eigener Identität haben in den vergangenen Jahrzehnten in Ostasien und anderen Regionen der Welt erneut an Bedeutung und Präsenz gewonnen. Eigene „Werte“, Denk- und Handlungsweisen sollen, so wird in öffentlichen Debatten zumeist in Abgrenzung zum „Westen“ bei gleichzeitiger Anlehnung an von dort entliehene Begriffe und argumentative Strategien gefordert, wieder stärker zu prägenden Faktoren von Lebensstil und Lebensformen werden und auch in Politik, Wirtschaft, Kultur und Erziehung vermehrt Ausdruck finden. Die Interessen und Überzeugungen, aus denen sich diese Tendenzen speisen, sind vielfältiger als ihre nicht nur im Westen oft vereinfachende Darstellung zuzulassen bereit ist. Wie ihre Protagonisten, deren Karrieren sich mitunter allein dem Einsatz für solche Bestrebungen verdanken, sind sie weder politisch und ideologisch neutral oder „unschuldig“, noch lassen sie sich pauschal als „fundamentalisch“ abqualifizieren oder als Ausdruck einer Geisteshaltung abtun, die sich den unabweisbaren Erfordernissen von Modernisierung und Globalisierung aus Mangel an Einsicht oder wider besseres Wissen verweigerte. Gerade in den wirtschaftlich und politisch vergleichsweise stabilen Ländern Ostasiens zeichnen sich neuere Identitätsdiskurse durch eine komplizierte Verflechtung von zum Teil widersprüchlichen politischen, sozialen, persönlichen und ideologischen Motiven aus, deren Entwirrung zum Verständnis der Diskussionen innerhalb der einzelnen Staaten und Regionen genauso unverzichtbar ist wie zur Einschätzung ihres Verhaltens in internationalen Zusammenhängen.
Sich diesem vielschichtigen Phänomen interdisziplinär und im Dialog mit Wissenschaftlern aus der Region anzunähern, ist das Ziel einer Symposienreihe, die die Mitarbeiter des Lehrstuhls für Sinologie der FAU in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Ken’ichi Mishima, Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft, Universität Osaka, und Frau Prof. Dr. Irmela Hijiya-Kirschnereit, Deutsches Institut für Japanstudien, Tokyo, konzipiert haben. Unter dem Obertitel „Asiatische Selbstbehauptungsdiskurse“ ist das Vorhaben der vergleichenden Analyse und historischen Verortung von neueren chinesischen, japanischen und koreanischen Diskursen gewidmet, die explizit oder implizit darauf ausgerichtet sind, eigene nationale, kulturelle, schicht-, gender- oder generationsspezifische Identitäten und Interessen in öffentlicher Auseinandersetzung gegen tatsächliche oder eingebildete Nicht-Anerkennung von Seiten anderer Nationen, Kulturen und gesellschaftlicher Gruppen zu behaupten. Der etwas umständliche und nicht leicht in andere Sprachen übertragbare Titel der Reihe trägt zum einen der unhintergehbar diskursiven Verfaßtheit von kollektiven wie individuellen Identitäten Rechnung. Zum anderen verweist der Begriff „Selbstbehauptung“, der durch die Verwendung in Rechtsphilosophie, Entwicklungspsychologie, Geschichtswissenschaft und Soziologie eine in diesem Zusammenhang durchaus nützliche Bedeutungsvielfalt gewonnen hat, auf die ungeachtet aller erklärten und tatsächlichen Unterschiede bestehenden Gemeinsamkeiten der zu untersuchenden Diskurse und diskursiv handelnden Akteure. Ostasiatische Selbstbehauptungsdiskurse teilen nicht nur eine zunächst defensive Grundhaltung, die, wie aus der europäischen Geschichte bekannt, leicht in Aggressivität umschlagen kann; gemeinsam ist ihnen darüber hinaus auch ein in immer neuen Variationen moduliertes Repertoire von begrifflichen und rhetorischen Strategien der Inklusion und Exklusion, das zu unterschiedlichsten Zwecken dienstbar gemacht werden kann und wird.
Aufbauend auf die vorhergehenden Symposien in Tokyo (2000) und Seoul (2001), die in erster Linie der ideologiekritischen Aufarbeitung nationalistischer Versuche zur staatlichen oder kulturellen Selbstbehauptung gewidmet waren, soll die Erlanger Tagung die Allgegenwart von Motiven und Strategien der Selbstbehauptung gerade auch in vermeintlich weniger ideologieanfälligen Diskursfeldern belegen und damit eine neue Dimension der Thematik erschließen. Untersucht werden soll zum einen die Rolle von Selbstbehauptungsstrategien in Diskursen über Musik, Malerei, Ästhetik, Dichtkunst, Sprache, Schrift und Kampfkunst, die in Ostasien unverhältnismäßig große Bedeutung für die Definition kultureller und nationaler Identität gewonnen haben. Zum anderen wird es darum gehen, die Verflechtung von innergesellschaftlich emanzipatorischen Selbstbehauptungsdiskursen, angestoßen etwa von Frauen oder Vertretern bestimmter Generationen und Berufsgruppen, mit nationalistischen Bestrebungen herauszuarbeiten und die resultierenden Spannungen zu analysieren. In beiden Bereichen sollen nicht nur die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der untersuchten Phänomene in China, Japan und Korea dokumentiert, sondern auch ein Inventar des in Anschlag gebrachten rhetorischen und argumentativen Arsenals erstellt werden.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte unter der oben genannten Adresse oder per E-mail an: Joachim Kurtz oder Iwo Amelung.
Universität Erlangen: Asiatische Selbstbehauptungsdiskurse (http://www.lssin.uni-erlangen.de/sbd.htm)
Die Veranstaltung wird unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung
Vorträge
Tag 1 12. Dezember (Donnerstag)
14.15 - 14.30
Begrüßung
Panel 1: Typologien
15.30 - 16.00
Koreanische Selbstbehauptungsdiskurse: historische Muster und aktuelle Erscheinungsformen
Marion Eggert, Bochum
15.00 - 15.30
Figuration und Formation von kulturellem Gedächtnis in japanischen Selbstbehauptungsdiskursen
Ōnuki Atsuko, Tokyo
16.00 - 16.30
Kaffeepause
14.30 - 15.00
Typen der Selbstbehauptung im China des 20. Jahrhunderts
Michael Lackner, Erlangen
Panel 2: Revisionen
16.30 - 17.00
Assertive Archaeology - The Government-Sponsored Effort to Prolong China's History
Su Rongyu, Beijing
17.00 - 17.30
Nationale 'Meistererzählungen' in der japanischen Historiographie
Wolfgang Schwentker, Düsseldorf/Osaka
17.30 - 18.00
Das ewige Reich von Lee In Hwa und die literarische Suche nach einem neuen "positiven" Geschichtsbild in Korea
Lee Eun-Jeung, Halle-Wittenberg/Tokyo
19 .00
Empfang im Schloß
Tag 2 13. Dezember (Freitag)
Panel 3: Kunst und Ästhetik
9.00 - 9.30
Ästhetisierung und Selbsthermetisierung in japanischen Selbstbehauptungsdiskursen
Mishima Ken’ichi, Osaka
10.00 - 10.30
Musik und Identität: Die Kulturrevolution und das "Ende chinesischer Kultur"
Barbara Mittler, Heidelberg
Panel 4: Sprache und Dichtung
11.00 - 11.30
Wie schreibt Gott? Universalität und Partikularität der Schrift
Florian Coulmas, Duisburg
11.30 - 12.00
Die chinesische Kulturlinguistik: Der Selbstbehauptungsdiskurs innerhalb einer neu geschaffenen Teildisziplin
Barbara Schulte, Berlin
12.00 - 12.30
Ein subtiles Gefühl: die "Südgesellschaft" (Nanshe) und die Entstehung nationalistischer Dichtung im modernen China
Fang Weigui, Trier
Panel 5: Kampfkunst und Sport
14.00 - 14.30
Mit Fuß und Faust - Korea auf der Suche nach eigener Identität im Kampfsport
Gu Hyosong, Yangsan
12.30 - 14.00
Mittagspause
14.30 - 15.00
Von der Kampfkunst zur Staatskunst - die identitätsstiftende Funktion von Kampfkunst im China der Republikzeit
Kai Filipiak, Leipzig
15.30 - 16.00
Internationale Sportveranstaltungen: Ein Tummelplatz für Nationalismus oder der Startschuss für regionale Selbstbehauptung?
Isa Ducke
15.00 - 15.30
Kaffeepause
Tag 3 14. Dezember (Samstag)
Panel 6: Gender
9.00 - 9.30
Feminismus und Nationalismus im Prozeß der Historisierung in Südkorea
Chung Hyun Back, Seoul
9.30 - 10.00
Geschlecht und Nation: Feminismus und kultureller Nationalismus in der historischen Frauenbewegung Japans
Andrea Germer
10.00 - 10.30
Zwischen Selbstbehauptung und Inkorporation: Diskurse von Frauen aus der chinesischen 68er Generation
Nora Sausmikat, Duisburg
Panel 7: Interregionale Perspektiven
14.00 - 14.30
Selbstbehauptungsdiskurse im Lichte japanischer Kommunikationsstrukturen
Peter Ackermann, Erlangen
Panel 8: Interkulturelle Kommunikation
12.30 - 14.00
Mittagspause
11.30 - 12.00
Nationalismus und Regionalismus Ostasiens aus der neuen Perspektive der kollektiven Identitäten
Kimae Toshiaki, Osaka
11.00 - 11.30
Whatever Happened to Asian Values?
Mark Thompson, Erlangen
15.00 - 15.30
Kaffeepause
15.30 - 16.30
Schlußdiskussion
Tag 2 13. Dezember (Freitag)
9.30 - 10.00
Hu Shis Diagnosen zur chinesischen Kultur: verschiedene Formulierungen eines Befunds
Zhang Qing, Shanghai
10.30 - 11.00
Kaffeepause
16.00 - 16.30
Der World Cup 2002 und die koreanische Selbstbehauptung: Die Supporters-Bewegung (der Rote Dämon) und das neue Selbstbewußtsein der Koreaner
Chon Song U, Seoul
ab 17.00
Besuch des Nürnberger Christkindlesmarktes
Tag 3 14. Dezember (Samstag)
10.30 - 11.00
Kaffeepause
12.00 - 12.30
Oppositionelle Selbstbehauptung im geteilten Land: Taiwanesische Unabhängigkeitsbewegung und südkoreanische Studentenbewegung in den 1980er und 90er Jahren
Yvonne Schulz Zinda, Göttingen
14.30 - 15.00
Selbstbehauptung und Geozentrik
Yang Xusheng, Tübingen/Erlangen