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Deutsches Institut für Japanstudien

Catchword ōbā-tsūrizumu

30. September 2024, von Franz Waldenberger

Mehr ist nicht immer besser und manchmal ist es zu viel des Guten. Nach Aufhebung der Corona bedingten Einreisebeschränkungen im Herbst 2022 und zusätzlich angefeuert durch den billigen Yen verzeichnete der Inbound-Tourismus in den letzten beiden Jahren einen rasanten Anstieg. Die Zahlen lagen 2023 zwar noch deutlich unter dem Niveau von 2019 (siehe Grafik), für 2024 zeichnet sich allerdings ein neuer Rekord ab. Bis Juli strömten 60% mehr Besucher ins Land als im Vorjahreszeitraum. Wie schon vor der Pandemie waren mit Abstand die meisten Touristen aus Asien. Während 2019 allerdings mehr als ein Drittel vom chinesischen Festland kamen, waren es 2023 nur 12%. Die Lücke wurde durch Südkorea gefüllt. Inzwischen zog China allerdings nach. Im Juli 2024 hatte es erstmals wieder den ersten Rang unter den Herkunftsregionen inne.

Der Tourismusboom, der 2012 einsetzte, brachte Japan 2023 Nettoeinnahmen in Höhe von 5,4 Billionen Yen ein, und steuerte damit 0.9% zu den gesamtwirtschaftlichen Ausgaben bei.[1] Angesichts der demographisch bedingten Wachstumsschwäche Japans ist dies eine sehr positive Entwicklung. Allerdings gibt es auch Probleme, weil sich die Besucherströme nicht gleichmäßig im Raum und über die Zeit verteilen und Japans Infrastruktur vielerorts auf Nachfragespitzen nicht vorbereitet ist. Eine Umfrage des Beratungsunternehmens EY ergab, dass 70% der Bevölkerung zwar nicht negativ gegen Tourismus eingestellt sind, aber 50% „Overtoursim“ (ōbā-tsūrizumu) wahrnehmen, insbesondere in Kyoto, Tokyo und Nara. Noch mehr als die Überlastung der Infrastruktur stört dabei das Benehmen vieler Besucher. Der EY-Bericht schlägt auch Gegenmaßnahmen vor, die in vielen Tourismuszentren weltweit bereits zum Einsatz kommen: Gebühren bzw. höhere Eintrittsgelder, Beschränkungen der Bettenkapazitäten und die Einführung von Reservierungssystemen zur Regulierung der Besucherzahlen.

Im internationalen Vergleich hat Japan sicherlich noch Luft nach oben. Die 25 Millionen Touristen im Jahr 2023 fallen gegenüber den 124 Millionen Einwohnern deutlich weniger ins Gewicht als die 35 Millionen Touristen in Deutschland, die sich auf 84 Millionen Einwohner verteilen, oder die 100 Millionen Touristen, mit denen 68 Millionen Franzosen 2023 zurechtkommen mussten. Japans Insellage und die größtenteils bergigen und schwer zugänglichen Landflächen schränken seine Aufnahmekapazität allerdings ein. Dennoch kann Tourismus in der Zukunft insbesondere für die Regionen außerhalb der Ballungszentren eine wichtige Rolle spielen. Dies würde sich sicherlich auch positiv auf Japans Softpower speziell in Asien auswirken. 

[1] Eigene Berechnungen auf Basis der Zahlungsbilanzstatistik der Bank of Japan und der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Cabinet Office.